Zur Gschicht
Die Wurzeln des Obersàxer Titsch
"Im Gefüge der deutschen Dialekte ist das Walserdeutsch eine Sprache von ganz besonderer Einmaligkeit, hervorgerufen durch sein archaisches Erscheinungsbild, durch Verflechtungen mit der romanischen Nachbarsprache, durch gewisse eigene Neuerungen und - schliesslich - durch die ihm eigene Sonorität"
Diese Feststellung von Paul Zinsli, dem Walserkenner, trifft für unsere Walsergemeinde ganz besonders zu. Die Sprachkultur wurde im Verlaufe der Jahrhunderte - so paradox es tönen mag - gerade durch die Romanen konserviert, wenn auch mitgeprägt.
Erst die bessere Erschliessung, der Fremdenverkehr und die vermehrte Ansiedlung von andersartigen Schweizerdialekten leisten dem Abgang des Obersaxer Dialektes Vorschub (Anpassung, Weglassung von Spezialausdrücken). Der Fortschritt, die Modernisierung der Landwirtschaft, des Handwerks, des Verkehrs und des Haushalts sowie die veränderte Lebensweise haben sehr viele Gegenstände, Geräte, Bauten, Arbeiten usw. in Vergessenheit geraten lassen.
Historische Dorfansicht von Obersaxen
Romanische Wurzeln
Wichtig ist es zu wissen, dass unsere Gegend vor der Zuwanderung der Walser bereits durch Romanen besiedelt war. So blieben viele Orts- und Flurnamen bis zum heutigen Zeitpunkt romanisch, und der sprachliche Einfluss war also von Anfang an gegeben.
Die Geschichtsforscher glauben, dass Obersaxen eine der frühesten, wenn nicht die älteste der noch existierenden Walsersiedlungen Graubündens ist. Sicher zogen die Walliser auf dem direkten Weg über Furka, Oberalp, wobei sie, mindestens teilweise, zuerst Station im Urserental machten.
Karte der Walser-Wanderroute von Wallis über Furka/Oberalp nach Obersaxen
Die Rolle des Klosters Disentis
Für die Ansiedlung von Walsern in Obersaxen spielte sicher das Kloster Disentis eine bedeutende Rolle, denn im 13. Jahrhundert erstreckte sich seine Herrschaft vom Rhonegletscher bis zum Petersbach in Obersaxen. Alte Klosterchroniken berichten, dass Mönche und Äbte aus dem Wallis zu dieser Zeit in Disentis wirkten.
Die neueste Forschung (Enrico Rizzi, Geschichte der Walser, 1993) zeigt auf, dass zur gleichen Zeit lombardische Edelleute als Lehensherren des Bischofs von Sitten auch im Goms auftraten. 1288 schloss das Kloster Disentis "in Ursaria" ein Bündnis mit fünf Walliser Adeligen, lombardischer Abstammung.
Diese Lehensherren und das Kloster waren daran interessiert, neues, alpines Land roden und urbar machen zu lassen, um ihre Stellung und die Kontrolle der Alpenübergänge zu sichern.
Das Kloster Disentis
Beziehung zu Urseren und dem Wallis
Obersaxen stand lange Zeit in sehr guter Verbindung mit Urseren, das seinerseits unter dem Kloster Disentis stand und auch mit den Walsern im Pomatt, Italien, gute Kontakte pflegte. Meines Erachtens besteht bis heute eine sprachliche Verwandtschaft zwischen dem Obersaxer und dem Pomatter Titsch.
Die lange und dauerhafte Beziehung der beiden Walsergegenden Urseren und Obersaxen wird 1519 noch ersichtlich, als nach Rechnungsbuch von Urseren der dortige Ammann der Kirche in Obersaxen einen halben Gulden schenkt.
1398 heiratete Gultschart von Raron (1384-1424) "landvogt ze Walles", Bruder des Bischofs Wilhelm von Sitten, die Witwe Margaretha, geborene von Rhäzüns. Diese brachte ihrem Gatten einen Teil der Güterzinsen von Obersaxen als Mitgift ein.
Handels- und Verbindungswege zwischen Wallis, Urseren und Obersaxen
Die Herrschaft Rhäzüns
Obersaxen war lange Zeit der Herrschaft Rhäzüns zinspflichtig und blieb es bis 1819. Dieser Umstand schlug sich auch im Obersaxer Gemeindewappen nieder, das die Farben und die Schildaufteilung der Freiherren von Rhäzüns übernahm.
Zusätzlich wurde der Petrusschlüssel, der bereits 1472 auf dem ältesten bekannten Obersaxer Wachssiegel erscheint, ins rote Feld eingefügt.
Das Obersaxer Gemeindewappen
Der Walserheilige St. Theodul
Den Walserheiligen St. Theodul (Joder) treffen wir in Obersaxen auch an. In den Konsekreationsbriefen für Altäre der Pfarrkirche wird er 1441, 1473 und 1500 erwähnt. Der St. Jodertag, der 13. September, war damals ein Feiertag.
1730 beschloss die Gemeinde, wegen "Wuchskrankheit und reissenden Wölfen" diesen Feiertag wieder besser einzuhalten. Er geriet aber immer mehr in Vergessenheit. Heute ist die grosse Glocke der Pfarrkirche, die Wetterglocke, noch St. Joder geweiht.
Das Walserbewusstsein war in Obersaxen ziemlich erloschen, bis es durch die neuere Geschichtsforschung wieder entfacht wurde.
Die Wetterglocke der Pfarrkirche